25. September 2024 SeminarLesezeit: 5 MinutenVon Uschi Kellenberger

Belastendes Schweigen in Konfliktsituationen besser meistern

In diesem Artikel möchte ich dich dazu einladen, mehr über das Schweigen in Konfliktsituationen zu erfahren. Wenn einer der Gesprächspartner verstummt, kann dies aus vielen Motiven und Gefühlen heraus geschehen. Mit Gewaltfreier Kommunikation lassen sich solche belastenden Schweige-Momente besser meistern.

Schweigen als bedrohliche Situation

Das Schweigen in Beziehungen schmerzt. Es ist geradezu unheimlich, wenn die Stimmung plötzlich kippt und sich eine unangenehme Stille ausbreitet. Sogar negatives Feedback ist besser als Schweigen. Es ist sogar erwiesen, dass selbst eine Beleidigung oder Kritik besser sind als gar keine Kommunikation. Weil hiermit eine klare Haltung bezeugt wird, mit der man umgehen kann und die immerhin das Gefühl erzeugt, wahrgenommen zu werden. Historisch gesehen war für Menschen Zugehörigkeit schon immer lebensnotwendig. Bei den «Jägern und Sammlern» hätte eine soziale Ausgrenzung Lebensgefahr bedeutet. Es ist also unser genetisches und soziales Erbe miteinander zu sprechen, sich einzubringen und etwas zur Gesellschaft beizutragen.

Das Schweigen des Gegenübers kann als bedrohlich wahrgenommen werden, was zu einer Aktivierung der Amygdala führt, dem Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung von Angst und Stress verantwortlich ist. Dies kann eine Stressreaktion im Körper auslösen, die durch die Freisetzung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin verstärkt wird. Manche Menschen leiden so stark darunter, dass sie ein emotionales Trauma erleben. Etwas, das sich inzwischen auch wissenschaftlich belegen lässt. Denn unter diesen Umständen gibt es Veränderungen im Gehirn. Die Zone «anterior cingulatus cortex», die für den Schmerzpegel verantwortlich ist, wird aktiviert. Es kann also zu Kopfschmerzen und Verdauungsproblemen kommen, zu Bluthochduck oder Diabetes etc. Das Autoimmunsystem gerät ins Wanken.

Welche Wirkung kann das Schweigen in Konfliktsituationen haben?

Wenn eine Autoritätsperson (Elternteil, Bezugsperson, Lehrperson, Führungskraft) in einer Konfliktsituation schweigt, ist dies besonders heikel, da es eine Reihe von komplexen und oft intensiven Auswirkungen auf die Beteiligten und die gesamte Dynamik der Situation hat. Als «untergebene Person» wird Schweigen als Missbilligung, Unzufriedenheit und drohende Bestrafung interpretiert. Das kann Angst, Unsicherheit, Ohnmacht und Wut auslösen und das Vertrauen in die Autoritätsperson und deren moralische Integrität massgeblich untergraben. Es führt unweigerlich zu einer Verschlechterung des Klimas, was durch den Stress und die psychische Belastung langfristig allen Beteiligten schadet.

In einer Konfliktsituation zu schweigen, kann ein passiv-aggressives Verhalten sein, um Wut oder Frustration auszudrücken, ohne direkt konfrontativ zu sein. Diese Personen sehen Schweigen als sichereren Weg, ihren Ärger auszudrücken. Das passiv-aggressive Schweigen missbraucht die Betroffenen seelisch, es macht sie zum Opfer, grenzt sie aus und vermittelt: Du bist nichts wert. Der Körper reagiert mit Unwohlsein. Ihre negativen Gefühle verstärken sich, Stress, Traurigkeit und Depressionen stellen sich ein, auch Wut, Angst und Schuldgefühle.

Anhaltendes Schweigen kann das Vertrauen in die Beziehung untergraben. Wenn das Vertrauen beschädigt ist, ist es kaum möglich, sich in dieser Verbindung, sei es beruflich oder privat, zu entspannen. Schweigen führt zu anhaltender Unsicherheit und Misstrauen, die die Verbindung und Intimität beeinträchtigen. Die Anspannung führt zu emotionaler Distanz und Entfremdung.

Was Menschen mit ihrem Schweigen erreichen wollen

Manche Menschen halten Schweigen für ein probates pädagogisches Mittel, wodurch die andere Person nach einer Weile ihr Verhalten ändere, gerade so, wie das Gegenüber es eben erwarte oder sich wünsche. Auch vorzutäuschen, nichts von einer Sache gehört zu haben (und also zu schweigen), um nicht Stellung zu beziehen, schafft eher Distanz und Probleme und verschlimmert die Situation meist noch. Schweigen, das ausgrenzt, bestraft oder kontrolliert, zerstört Beziehungen.

Schweigen kann aber auch ein Zeichen dafür sein, dass eine Person nachdenkt und versucht, ihre Gefühle und Gedanken zu sortieren, bevor sie spricht. Dieses Schweigen zeugt davon, dass jemand zuerst sich selbst reflektiert. Das kann in eine angespannte Situation Ruhe hineinbringen oder der Kreativität freien Lauf lassen. Wird das Schweigen aber zielgerichtet als Strategie verwendet, übt es oft die Funktion der Kontrolle aus.

Welche Ursachen gibt es für das Schweigen in einem Konflikt?
Wenn du in einem Konflikt nichts mehr sagst, können verschiedene Motive und Emotionen dahinterstecken:
1. Schweigen kann Ausdruck von Überforderung oder Ohnmacht sein, dass du einfach nicht weisst, wie du deine Gefühle und Bedürfnisse benennen könntest. Es kann deine Art sein, mit diesen Emotionen umzugehen. Hier fehlen dir oft ganz einfach der Wortschatz und die Routine einer bewussten Kommunikation.
2. Schweigen kann Ausdruck von Selbstschutz sein. Du möchtest dich nicht weiter belasten und eine Vertiefung des Konfliktes vermeiden in der Hoffnung, dass dein Schweigen den Streit beendet oder zumindest entschärft. Es könnte ein Konfliktmuster von dir sein. Diese Muster sind meistens tief in der Persönlichkeit aufgrund der bisherigen meist negativen Erfahrungen verwurzelt und können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wenn mangelndes Selbstvertrauen mit im Spiel ist, kann sich dies auch beeinträchtigend auf das Selbstwertgefühl und das psychische Wohlbefinden auswirken.
3. Schweigen kann Ausdruck von Angst sein. Angst vor negativen Konsequenzen wie Zurückweisung oder Eskalation. Es kann die Sorge dahinterstecken, durch Worte alles noch zu verschärfen, so dass der Konflikt gar unkontrollierbar wird, die Missverständnisse sich vertiefen und alles noch komplizierter wird. Es kann eine Angst vor Kritik für deine Ansichten oder Gefühle vorhanden sein, welche dann die Beziehung oder Freundschaft gefährden. Schweigen kann auch ein Zeichen der Angst vor Konfrontation sein, also vor Konflikten, die eskalieren könnten, weil der Umgang mit Konflikten nicht erlernt wurde.
4. Schweigen kann Ausdruck der eigenen Unzulänglichkeit sein. Damit schützt sich die schweigende Person vor dem beschämenden Erleben sich nicht adäquat ausdrücken zu können und nicht die richtigen Worte zu finden.
Aus meiner Erfahrung spielen in allen genannten Punkten die persönlichen Grundüberzeugungen, die Glaubenssätze (oder wie ich sie benenne «Wurzelwölfe») und die Art, wie wir gelernt haben mit Konflikten umzugehen, eine sehr grosse Rolle. Ich möchte an dieser Stelle einige benennen, die mir hierzu gerade einfallen:

• «Ich sag lieber nichts, sonst wird es gefährlich.»
• «Wenn ich sage, was ich denke, werde ich allein gelassen.»
• «Meine Meinung zählt sowieso nicht.»
• «Konflikte sind bedrohlich.»

Diese und viele weitere Wurzelwölfe lassen uns oft verstummen, ob wir wollen oder nicht. Deswegen ist es hilfreich zu verstehen, wie tiefgreifend dieses Verhalten das Wohlbefinden und die Beziehung beeinflussen kann und welchen Wert es hat, sich mit seinen Wurzelwölfen zu beschäftigen.

Es sind nie die Tatsachen, die uns beunruhigen und ärgern, es sind immer unsere eigenen Bewertungen.

Marshall B. Rosenberg (1934-2015)

Wie können belastende Schweige-Situationen gemeistert werden?

Schweigen hat unterschiedliche Bedeutungen und deswegen ist es hilfreich, nachzufragen oder ein klärendes Gespräch zu suchen, um die zugrunde liegenden Gründe zu verstehen. Es braucht einen sicheren Rahmen, seine Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken und die der anderen Person zu hören. Wichtig sind also Selbstausdruck und Empathie. Ebenso hilfreich ist es, liebevoll Grenzen zu setzen und für sich einzustehen. Wenn die Situation zu verfahren ist, hilft es professionelle Hilfe in Form einer Mediation / Konfliktklärung oder ein persönliches Coaching (um seinen Wurzelwölfen auf die Spur zu kommen) in Anspruch zu nehmen.
Passiv-aggressives Schweigen ist eine fest eingebrannte Gewohnheit mit Konflikten umzugehen. Es ist ein persönlicher, innerer Kampf. Dieser Kampf kann mit einer Weiterbildung in Gewaltfreier Kommunikation ein für alle Mal beendet werden, indem du dir Konfliktfähigkeit aneignest und dich mit den hinderlichen Wurzelwölfen auseinandersetzt. Im Modul 2 kannst du den Umgang mit Schweigen üben und dein eigenes Verhalten in diesen Situationen reflektieren. Ob beruflich oder privat schaffst du dadurch eine gesündere und produktivere Umgebung.

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