25. September 2024 SeminarLesezeit: 5 MinutenVon Uschi Kellenberger

Die innere Haltung der GFK

Häufig ist von der besonderen inneren Haltung der GFK die Rede. Doch was ist das genau? Hier möchte ich dir erklären, was sich tatsächlich hinter dem Begriff „innere Haltung“ in der GFK verbirgt.

Es ist kaum verwunderlich, dass es sehr viele Artikel, Blogbeiträge und Bücher über die Technik der GFK gibt. Meist wird darin auf das Vier-Stufen-Modell nach M. B. Rosenberg eingegangen, das sich seit vielen Jahren und in noch viel mehr Situationen als unglaublich wirkungsvoll erwiesen hat.
Dann, oft noch in der Einleitung, fällt folgendes Stichwort: innere Haltung. Nur ergänzt durch eine (mal mehr, mal weniger elaborierte) Kurzbeschreibung, dass es sich bei der GFK eigentlich gar nicht um eine Technik oder Methode handle, sondern vielmehr um das Erlernen einer gewaltfreien inneren Haltung.

Was ist die innere Haltung der GFK?

Aber, was ist diese innere Haltung eigentlich? Hier eine konkrete (am liebsten konsensierte und allgemein anerkannte) Antwort zu finden, insbesondere im Zusammenhang mit GFK, ist schwerer als gedacht. Manche Quellen schreiben, es sei die Empathiefähigkeit des einzelnen und sein Respekt anderen gegenüber. Andere, dass es die Achtsamkeit sei, geäussert in einer urteilsfreien und wohlwollenden Begegnung im Miteinander. Dritte wiederum meinen, die innere Haltung sei die Bedürfnisorientierung der Sprache.
Bei genauerer Betrachtung verwirren diese Antworten jedoch mehr, als sie aufklären. Wird die Empathiefähigkeit nicht erst durch das Erlernen der Giraffensprache gefestigt? Ist es nicht Kern der Methodik der GFK, sich der eigenen Bewertungen (Urteile und „Wurzelwölfe“) bewusst zu werden? Wird nicht dadurch erst ein achtsames Miteinander möglich? Und kommt die Bedürfnisorientierung etwa nicht von dem expliziten dritten Schritt des Modells, dem Nennen des Bedürfnisses?

Doch.

Anstatt innere Haltung zu definieren, werden in den Erklärungsversuchen jeweils Teile der Technik oder logisch konsequente Effekte ihrer Anwendung aufgeführt. In jedem Fall aber scheint bisher die Grenze zwischen Methodik und innerer Haltung so verwaschen zu sein, dass das eine vom anderen nicht klar getrennt werden kann. Marshall Rosenberg sagte: Man kann an den Worten nicht erkennen, ob jemand GFK anwendet.
Innere Haltung als unbewusste kompetente Anwendung der Technik
Ich stelle dir hier einen neuen Definitionsversuch von innerer Haltung vor. Einer, der diese unklaren Übergänge nicht nur miteinbezieht, sondern darauf aufbaut: Die innere Haltung ist die unbewusste kompetente Anwendung der Technik.
Wenn eine Fertigkeit oder Methode lange genug praktiziert wird, wird ein Punkt erreicht, an dem sie zu einem Teil des automatischen Verhaltens wird. Nach dem Stufenmodell des Kompetenzerwerbs von Noel Burch ist dann die vierte und letzte Lernphase erreicht: Die unbewusste Kompetenz. Die Technik wird ohne bewusstes Nachdenken angewendet, weil sie tief im Verhalten verankert und zur inneren Haltung geworden ist. Nichtsdestotrotz ist es immer noch die Technik.
Damit ist nicht gemeint, dass das Vier-Schritte-Modell dann immer noch genauso angewendet wird wie damals im ersten GFK-Einsteigerkurs. Nein, es ist eher wie das Spielen eines Instrumentes: Sobald die Noten und die Griffe sitzen, kann der Spieler eigene Variationen einbauen, kann improvisieren oder das Stück an die Audienz oder die Stimmung anpassen. Die zugrundeliegende Methodik – wie man das Instrument spielt – bleibt aber gleich.

Ob bewusst gewählter Weg oder unbewusste Anwendung – GFK funktioniert

Übertragen auf die GFK bedeutet das, dass von den klaren vier Stufen abgewichen werden kann. Dass die Art und Weise, wie paraphrasiert wird, an das Gegenüber und die Gefühlslage im Raum angepasst wird. Dass von reiner GFK-Sprache gegebenenfalls in natürliche Sprache abgewichen wird. Auch hier wird variiert und improvisiert, und doch bleibt das Schema, auf die universellen Gefühle und Bedürfnisse zu hören, gleich.
Der Kern der GFK, also Bedürfnisorientiertheit, Empathie und Achtsamkeit, ist somit grundsätzlich in die Technik eingebettet. Durch das unbewusste Anwenden fühlt es sich jedoch nicht mehr wie eine starre, kalte Strategie an, sondern bekommt die Wärme und Individualität der Menschlichkeit dazu und dessen Tonalität so dass es nicht künstlich oder technisch klingt.
Dieser Ansatz beantwortet zusätzlich eine Frage, die oft im Zusammenhang mit innerer Haltung gestellt wird:
In manchen Situationen ist es einfach unmöglich, dem Gegenüber entspannt zuzuhören und ihn zu verstehen. Vielleicht, weil man selbst gerade zu wenig Kraft für eine Konfliktklärung hat und die eigenen Bedürfnisse noch nicht klar sind. Und dennoch wird immer wieder berichtet, dass die Anwendung des Paraphrasierens und das Anbieten von Gefühlen oder Bedürfnissen zur beträchtlichen Entschärfung der Situation beiträgt. Dann wird, meist sehr verwundert, gefragt, wie es denn sein könne, dass die GFK funktioniert hat? Immerhin hatte man selbst ja nicht die ‚notwendige‘ urteilsfreie innere Haltung.
Das Konzept, dass die innere Haltung einfach nur die unbewusste Anwendung der Technik ist, passt hier genau rein. In den geschilderten Situationen wurde GFK einfach noch nicht automatisch und intuitiv angewendet, sondern stattdessen als bewusst gewählter Weg eingesetzt. Es wurde zwar noch nicht mit einer selbstständigen inneren Haltung gehandelt, die Effektivität der GFK ist aber trotzdem spürbar.

Willst du Recht haben oder glücklich sein?  Beides geht nicht.

Marshall B. Rosenberg (1934-2015)

Übungen in der Empathie-Werkstatt®: von der Technik zur inneren Haltung

Die GFK ist ein, aus meiner Erfahrung, sehr wirksamens Werkzeug in der zwischenmenschlichen Kommunikation: Bereits durch das Verstehen und einfache Anwenden der Methodik können schon enorme Erfolge in der Mediation oder dem Klären von Missverständnissen erzielt werden – innerhalb der ersten paar Wochen – wie die Praxis beweist.

In den Modulen der Empathie-Werkstatt® wird die Technik in zahlreichen, wertvollen Übungen vermittelt, damit die Methodik in eine innere Haltung übergeht und instinktiv eingesetzt wird. Dadurch wird das starre Konzept natürlicher, es erzielt eine bessere und schnellere Wirkung, und das auf eine weit menschlichere Art und Weise. Und das ist letztendlich das Ziel des Lernens der GFK: Die kleinen und grossen Herausforderungen des Alltags, sowohl im zwischenmenschlichen als auch mit sich selbst, so leicht wie möglich zu lösen.

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