30. Dezember 2024 SeminarPodcastLesezeit: 5 MinutenVon Uschi Kellenberger

Umgang mit Provokation

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In der Interaktion mit anderen Menschen kann es vorkommen, dass du eine Aussage oder Handlung von deinem Gegenüber als Provokation empfindest und bewertest. Dabei kann die Provokation bewusst oder unbewusst geschehen. Sie ist oft darauf ausgerichtet, eine Reaktion oder Emotion bei dir hervorzurufen. Will die Person also eigentlich nichts anderes als in Verbindung mit dir zu kommen? Leider bewirkt eine Provokation meist genau das Gegenteil.

Was hinter einer Provokation steckt

Die GFK wird von der Überzeugung geleitet, dass sich ein Mensch mit allem, was er tut, Bedürfnisse erfüllt. Das, was du als Provokation deutest, ist eine (vielleicht unglückliche) Strategie, um sich Bedürfnisse zu erfüllen. Diese könnten sein: gehört zu werden, Verbindung, Spass, Kontakt, Zuwendung, Abgrenzung, Schutz und viele mehr. Vielleicht auch im Mittelpunkt zu stehen und erleben zu wollen: «Egal, wie ich mich verhalte, ich werde angenommen damit». Es kann auch eine Angst dahinterstecken, das Gesicht oder die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Oft verschaffen sich Frustration und Wut ein Ventil, indem die Person auf Konfrontation geht und du das als Provokation interpretierst.

Andere definieren mit dieser Strategie ihre Identität, indem sie sich als rebellisch oder unkonventionell präsentieren. Auch das ist eine Form der Selbstdarstellung. Ein weiterer Aspekt könnte einfach das Gefühl der Langeweile sein, welches zu einer Handlung oder Äusserung verleitet, um andere zu irritieren. Wie wir sehen, spielen eine Vielzahl von individuellen und je nach Situation sozialen Faktoren eine Rolle.
Selbst, wenn die Absicht des Gegenübers nicht provokativ ist, besteht die Möglichkeit, dass du eine Äusserung als Provokation interpretierst. Insgesamt ist Provokation oft eine komplexe Mischung aus objektiven Handlungen/Worten und subjektiven Interpretationen. Es ist wichtig, dir bewusst zu machen, dass deine Wahrnehmung und Interpretation von Situationen nicht immer objektiv ist und von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden kann. Daher ist es hilfreich, vor einer überstürzten Reaktion zu reflektieren und die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und Wege zu finden, um konstruktiv damit umzugehen. Einer davon ist für mich die Gewaltfreie Kommunikation.

«Oft verschaffen sich Frustration und Wut ein Ventil, indem die Person auf Konfrontation geht und du das als Provokation interpretierst.»

Uschi Kellenberger

Warum werden Äusserungen als Provokation interpretiert?

Provokation ist subjektiv, deswegen empfinden unterschiedliche Menschen sehr unterschiedliche Dinge als provokativ. Oft können frühere Erfahrungen, Traumata oder Verletzungen dazu führen, dass du schnell denkst, du wirst provoziert. Negative Erfahrungen in der Kindheit oder schmerzhafte Erlebnisse können bewirken, dass bestimmte Themen oder Verhaltensweisen bei dir starke emotionale Reaktionen hervorrufen. Aus deinen Erfahrungen bilden sich bestimmte Werte heraus, die für dich sehr wichtig sind. Deswegen kann es sein, dass du denkst, du wirst provoziert, wenn jemand etwas tut oder sagt, das gegen diese Werte verstösst. Zum Beispiel könnten Werte wie Solidarität, Ehrlichkeit oder ernstgenommen zu werden dazu führen, dass du empört oder frustriert bist, wenn du denkst, dass diese Werte gerade verletzt werden.
Ein geringer Selbstwert und mangelnde Selbstsicherheit führen ebenfalls zu der Interpretation, der andere mache das absichtlich, um dir zu schaden. Dann kann es passieren, dass du dazu neigst die vermeintliche Provokation persönlich zu nehmen, weil du vielleicht denkst, nicht wertvoll genug zu sein. Das ist ein wichtiger Punkt, denn hier erkennst du, dass es dir schwerfällt, dich von deiner Selbstkritik zu distanzieren. Ausserdem sorgt mangelndes Selbstvertrauen dafür, dass du vielleicht nicht in der Lage bist, klare Grenzen zu setzen und dem anderen zu verstehen zu geben, dass du das Verhalten nicht tolerieren wirst.

Welche Folgen Provokationen haben können

Bei dir als Person, die vermeintlich provoziert wird, kann das zu körperlichen Stressreaktionen führen, also zu Anzeichen von erhöhter Anspannung und Unwohlsein als Reaktion auf Gefühle wie Wut, Ärger, Frustration, Empörung, Traurigkeit oder Verletztheit. Diese Gefühle können stark und überwältigend sein. Eventuell bist du gefangen in einer Gedankenspirale, in der du immer wieder über die provokative Situation nachdenkst, verschiedene Szenarien durchspielst oder über mögliche Reaktionen nachgrübelst. Meist lassen dann auch die Selbstzweifel nicht lange auf sich warten.
Wenn Provokationen dazu führen, dass du dich unwohl oder verletzt fühlst, kann es sich lohnen zu lernen, wie du besser mit Provokationen umgehst. Falls dir das immer wieder passiert, hilft es dir, wenn du dein Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stärkst und daran arbeitest, deine Reaktion auf bestimmte Situationen zu ändern.

Wie dir die GFK hilft, besser mit Provokationen umzugehen

Aus meiner eigenen Erfahrung und den Erfahrungen als Ausbilderin weiss ich, dass die Gewaltfreie Kommunikation eine Reihe von Fähigkeiten und Ansätzen fördert, die diesem Thema wirklich zuträglich sind. Da ist zum einen die Selbstempathie, bzw. die Selbstreflexion. Es geht darum, sich bewusst zu werden, wie man fühlt, welche Bedürfnisse man hat und wie man auf verschiedene Situationen bewusst und erwachsen reagieren kann.
Die Empathie für dich selbst steht für mich an oberster Stelle. Wenn du lernst, mit dir selbst genauso einfühlsam umzugehen, wie mit anderen, wenn du dir selbst mit Verständnis und Mitgefühl begegnest, kannst du deine Selbstkritik reduzieren. Damit entsteht ein tieferes Verständnis deiner eigenen Persönlichkeit. Durch dieses Verständnis entwickelst du ein besseres Verständnis für deine eigenen Emotionen sowie die Emotionen anderer. Das Resultat: Du kannst Emotionen besser regulieren und konstruktiv mit ihnen umgehen. Das stärkt dein Selbstvertrauen enorm, da du dich sicherer fühlst im Umgang mit emotional herausfordernden Situationen. Du steigerst also deine Emotionale Intelligenz.
Ebenso wichtig ist es, liebevoll, klar und respektvoll Grenzen zu setzen, um deine eigenen Bedürfnisse und Werte zu schützen. Das ist definitiv ein Selbstwertgefühl-Verstärker. Mit Hilfe der Gewaltfreien Kommunikation lernst du ausserdem, die Beweggründe der Person hinter dem Verhalten zu erkennen, welches du als Provokation bezeichnest.
Nochmal zusammengefasst: Provokation kann bewusst oder unbewusst auftreten, oft um Bedürfnisse zu erfüllen oder Emotionen hervorzurufen. Die Gewaltfreie Kommunikation bietet einen Weg zu verstehen, was bei Provokationen in dir und der anderen Person passiert. Du lernst, konstruktiv damit umzugehen, indem du dich selbst reflektierst, deine Bedürfnisse erkennst und falls nötig liebevoll Grenzen setzt. Ein ganz wichtiger Faktor: Deine individuellen Erfahrungen (dein emotionaler Rucksack) und dein Selbstwertgefühl spielen eine grosse Rolle dabei, ob du Handlungen und Worte als Provokation wahrnimmst.

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