
Ist die GFK eine schnelle Lösung für Konflikte?
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Die meisten Teilnehmenden kommen in meinen Grundlagenkurs, weil sie eine schnelle Lösung für ihre Konflikte suchen. Und ja, GFK wirkt – aber nicht über Nacht.
Wenn die Kommunikation im Alltag mit manchen Menschen ziemlich herausfordernd ist, muss eine Veränderung her – am besten sofort. Kennst du das? Du entdeckst etwas Neues und hoffst sofort auf eine Wunderlösung – oder du stösst auf etwas, das Hoffnung macht. So ging’s mir zumindest damals, als ich mit der GFK in Berührung gekommen bin.
Mir begegnet genau diese Thematik immer wieder in meinem Modul 1, wenn die Teilnehmenden bei mir zum ersten Mal zwei Tage lang die Grundlagen der GFK erleben. Sie sitzen auf Konflikten, privat oder beruflich, und erhoffen sich eine Sofortwirkung. Dann wird ihnen zunehmend klar, dass es etwas Übung braucht, um Konflikte auf einer empathischen Ebene zu lösen. Und ich bekomme immer wieder die Frage gestellt, ob die GFK überhaupt alltagstauglich sei. Da ich mir schon gar kein Leben mehr ohne GFK vorstellen kann, wundere ich mich natürlich über diese Frage.
GFK braucht am Anfang Zeit, Engagement und Energie
Wenn ich mich ins Jahr 2008 zurückbesinne, wie es mir ergangen ist, als ich zum ersten Mal in Berührung mit der GFK kam, verstehe ich diese Frage besser. Damals war ich sehr unter Druck und brauchte eine schnelle Lösung. Genau wie meine jetzigen Teilnehmenden vom Modul 1. In Bezug auf die anhaltenden Konflikte und Unstimmigkeiten sowie chronischen körperlichen Beschwerden sollte sich am besten sofort eine Erleichterung einstellen. Das ist wohl ein grosser Punkt, wenn es um die Alltagstauglichkeit geht: Die Erwartungen an die GFK jener Menschen, die anfangen sich damit zu beschäftigen, sind oft sehr hoch – manchmal sogar zu hoch. Je nachdem, wie gross der Druck ist, unter dem man steht.
In mir waren das Kritisieren, Bewerten, Schuld zuweisen oder «Zähne zusammenbeissen» sehr tief verankert. Das war die Sprache, die ich seit der Kindheit gehört und gelernt hatte. Die GFK stellt dem eine radikal andere Haltung gegenüber: Offenheit, Selbstempathie, Verbindung. Das kann eine starke Sehnsucht nach einem neuen Weg wecken. Besonders, wenn du dich – wie ich damals – erschöpft fühlst und den Eindruck hast, ständig missverstanden zu werden. Allerdings: GFK erfordert eine bewusste Umstellung alteingesessener Muster, Gewohnheiten und Automatismen. Diese zu verändern braucht am Anfang einfach Zeit, Engagement und Energie.
Mehr Klarheit, Verbindung und Verständnis – aber nur durch Übung
Die vier Schritte der GFK (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte) scheinen leicht verständlich. Ich dachte damals: «Wenn ich das lerne, wird sich alles verbessern.» Hinzu kam, dass meine damaligen Trainer sehr empathisch waren – das wirkte fast magisch auf mich. Es hat aber mit Magie nichts zu tun, sondern mit Übung. Wer sich in schwierigen Beziehungen oder Konflikten befindet, sehnt sich verständlicherweise nach einem Werkzeug, das die Dinge «endlich in Ordnung bringt». Die GFK verspricht mehr Klarheit, Verbindung und Verständnis – wer will das nicht? Meine Erwartung war, dass alles mit einem Fingerschnipp wieder gut wird. Ich hatte also grosse Hoffnung in die GFK. Was ich jedoch ausser Acht liess: Die Konflikte gab es schon sehr lange, und auch meine körperlichen Beschwerden begleiteten mich bereits über 30 Jahre! Und um es vorwegzunehmen, ich wurde nicht enttäuscht, denn durch die Klärung meiner Konflikte verschwanden (nicht sofort, aber mit der Zeit) die Symptome.
« In mir waren das Kritisieren, Bewerten, Schuld zuweisen oder «Zähne zusammenbeissen» sehr tief verankert. Das war die Sprache, die ich seit der Kindheit gehört und gelernt hatte. Die GFK stellt dem eine radikal andere Haltung gegenüber: Offenheit, Selbstempathie, Verbindung. Das kann eine starke Sehnsucht nach einem neuen Weg wecken. »
Die GFK ist kein Wundermittel, sondern ein Übungsweg
Meine Erkenntnis bei mir selbst und was ich in den Seminaren beobachte: Die GFK weckt grosse Erwartungen, weil sie das Potenzial hat, tief zu berühren, Verbindung zu schaffen und Klarheit zu bringen. Doch sie ist kein Wundermittel, sondern ein Übungsweg – manchmal auch konfrontierend und herausfordernd, aber auf lange Sicht kraftvoll und heilend.
Ein häufiger (und menschlicher) Irrtum: «Wenn nur der Partner/der Chef/die Kinder GFK anwenden würden, wäre alles gut.» Das erzeugt wiederum hohe Erwartungen an das Umfeld, was es dann auch nicht unbedingt einfacher macht. Die Folge ist Enttäuschung, wenn man merkt: Die GFK beginnt mit mir selbst, nicht mit den anderen. Ich kann es nicht outsourcen oder abschieben. Und klar, dahinter steckt die Sehnsucht nach Unterstützung im Umfeld, nach Gleichgesinnten, die mit einem auf dem Weg sind. Nach verstanden werden und gemeinsamem Wachstum.
Ich bin dankbar, dass meine Trainer mir damals nicht 4-Schritte-GFK-Sätze vorgesagt haben. Ich bin also um den peinlichen Teil der GFK-Anwendung als unnatürliche Sprache und Künstlichkeit herumgekommen. Denn wenn dein Gegenüber auf die technische 4-Schritte-Sprache nicht eingeht oder sie abwehrt, kann das frustrierend sein. Eine alltagstauglichere Anwendung ist eine flexible Nutzung der Prinzipien, ohne die starren Formulierungen zu übernehmen: Du kannst z.B. in einem Konflikt, anstatt der anderen Person deine Meinung zu sagen oder sie mit Forderungen unter Druck zu setzen, lieber deine Bedürfnisse erforschen, die hinter deinen Gefühlen liegen, und passende Strategien dafür suchen.
Um die jahrelange Übung bin ich bei meinem Einstieg in die GFK nicht herumgekommen. Ich kann es nicht schönreden: Es erfordert Zeit und ein «sich einlassen» auf sich selbst. Ich bin jedoch im Modus «Zeit ist Geld!» aufgewachsen. Mit der GFK durfte ich lernen, runterzuschalten, aus dem hektischen Alltag auszutreten, in dem oft keine Zeit für sich selbst bleibt. Das Üben bringt eine hohe emotionale Selbstreflexion mit sich. Es war für mich wirklich neu, meine Emotionen auf diese Weise zu reflektieren. Bei mir hat es keine Widerstände ausgelöst, aber ich erlebe als Seminarleitung hin und wieder, dass Menschen noch nicht bereit sind, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erforschen.
Hohe Erwartungen auf schnelle Erfolge sind unrealistisch
Warum also stellen die Teilnehmenden die Frage, ob die GFK alltagstauglich ist? Ich habe schon erwähnt, dass GFK oft als schnelle Lösung oder Wundermittel für tiefsitzende Konflikte oder Beschwerden missverstanden wird. Sie ist jedoch ein Übungsweg, der dazu einlädt, sich Zeit für sich selbst, für Selbstreflexion und das bewusste Umlernen alter Kommunikationsmuster zu nehmen. Ein heilsamer Weg zu sich, um mit sich in Verbindung zu kommen. Ich sage es nur ungern, aber die hohen Erwartungen an die GFK, dass sie sofortige Veränderung bewirkt, sind unrealistisch.
Manchmal, nein, ganz oft, sind spürbare positive Effekte sofort möglich, und manchmal braucht es Zeit, bis sich etwas tut. Und noch wahrscheinlicher ist es, dass du gar nicht merkst, dass sich etwas zum Positiven verändert. Wichtig ist nur, nicht vorher aufzugeben.
Warum möchten wir also eine Sofortlösung für unsere Konflikte? Das hat viele Ursachen: Den «Zeit ist Geld»-Faktor habe ich schon erwähnt. In der Regel sind wir also auf Effizienz getrimmt. Die Erfahrung, dass man sofortige Reaktionen erhält, z.B. Likes auf Social Media, formen unbewusst die Erwartung, dass das schnell gehen sollte. Manchmal fehlt die Zeit, noch öfter fehlen die Geduld und am meisten die (Konflikt)Fähigkeit für reflektierte Gespräche. Unser Gehirn ist zudem darauf programmiert, schnell auf Bedrohungen und soziale Dynamiken im Miteinander zu reagieren. In Konfliktsituationen bevorzugen wir instinktiv unmittelbare Lösungen, um Unsicherheit oder Stress zu reduzieren.
Es dominieren Muster wie „Sag es direkt, dann ist es erledigt.“ oder „Sag nichts mehr, du machst es nur schlimmer“. Was dahinter steckt, ist häufig die Hoffnung auf Erleichterung, vielleicht auch nach Harmonie und der Entspannung, die sich mit dem Denken einstellt, «wieder gut miteinander» zu sein. Vielfach ist es eine Unsicherheit, die ausgelöst wird, ein drohender Kontrollverlust gar, sich wirklich auf das Gegenüber einzulassen, offen für dessen Reaktion zu sein, und bereit zu sein, dass sich ein Gespräch auch erst entwickeln darf.
Zusammengefasst heisst das, dass die Erwartung an eine schnelle Wirkung, an eine Sofortlösung auch evolutionär ist und tief in unseren Instinkten und der Gesellschaft verankert. GFK erfordert jedoch eine gewisse Langsamkeit, Entschleunigung, Geduld und Reflexion, die nicht unserem gewohnten «Tempo» entspricht. Meine Aufgabe als Seminarleitung ist es – und ich finde, darin liegt der Schlüssel – Menschen zu aufzuzeigen und zu motivieren, dass sich diese «Investition» langfristig lohnt.
GFK braucht Geduld, dann bringt sie einen echten Wendepunkt
Viele haben nie gelernt, wie kraftvoll echte Verbindung durch Sprache oder auch nonverbal sein kann – und dann fehlt die Erfahrung, dass gewaltfreie, bedürfnisorientierte Kommunikation wie die GFK sie anbietet, langfristig tiefere, ehrlichere und tragfähigere Beziehungen schafft. Es braucht etwas Geduld, ja – aber die Veränderung ist oft schon mit ganz kleinen Schritten zu beobachten. Jeder Versuch zählt, auch wenn er holprig oder unvollkommen ist. Marshall Rosenberg brachte es einmal treffend auf den Punkt: «Was ich an der GFK am meisten schätze, ist ihre Kraft, uns auch dann noch miteinander zu verbinden, wenn sie unvollkommen angewendet wird.»
Deswegen kann ich dir nur ans Herz legen, dich mit der Gewaltfreien Kommunikation auseinanderzusetzen mit dem Bewusstsein: Es ist keine Sofortlösung, sondern ein Prozess. Für einen echten Wendepunkt in deinem Leben darfst du also Geduld mitbringen. Gewaltfreie Kommunikation heilt nicht sofort – aber tief. Sie ist kein Hype, sondern Handwerk!
Möchtest Du den Einstieg in die GFK wagen? Hier geht’s zum Modul 1!