
Offene Kommunikation am Arbeitsplatz
Inhaltsverzeichnis
- Was ist das Resultat, wenn man «Dinge nicht beim Namen» nennt?
- Was bewirkt der übermässige Fokus auf das Vermeiden von Konflikten?
- Was steckt dahinter, dass Menschen nicht aussprechen, was sie denken?
- Angst vor Bewertung und fehlendes Vertrauen
- Von Kind an angepasst und rücksichtsvoll
- Grundüberzeugungen, die eine offene Kommunikation verhindern
- Gewaltfreie Kommunikation hilft dabei, Dinge offen anzusprechen
- Offenheit und konstruktives Feedback fördern die Zusammenarbeit am besten
Gerne gebe ich Inspiration dafür, welche Folgen es hat, wenn im Unternehmen nicht offen kommuniziert wird, und wie die GFK dir helfen kann, Dinge offen anzusprechen und ohne Angst für dich einzustehen.
Wenn Unternehmen mich für ein Kommunikationstraining anfragen und ich nach den Hintergründen oder aktuellen Herausforderungen frage, bekomme ich oft dieselbe Antwort: Die Mitarbeitenden sprechen Dinge nicht offen an. Es herrscht die Einigkeit der Harmonie: Wir sind alle nett miteinander.
Was ist das Resultat, wenn man «Dinge nicht beim Namen» nennt?
Die Folgen sind, dass wichtige Themen umschifft werden, Probleme unausgesprochen bleiben und Entscheidungen hinausgezögert werden, weil niemand es wagt, Klartext zu reden. Ohne klare Ansprache von Problemen oder notwendiger Kritik werden diese oft nicht direkt angegangen. Wenn du ein Problem nicht konkret benennst, ist es schwieriger, eine Lösung zu finden. Unklarheiten erzeugen oft Frustration bei Menschen, denn das Ausbleiben offener Kommunikation führt dazu, dass Missverständnisse unter der Oberfläche schwelen. Spannungen, Entfremdung, Fehlentscheidungen oder sogar das Scheitern von Projekten ist die Folge.
Dinge nicht beim Namen zu nennen, bewirkt zudem oft Misstrauen, denn Menschen neigen dazu, weniger Vertrauen in diejenigen zu setzen, die nicht offen oder ehrlich kommunizieren. Wenn wichtige Dinge verschwiegen oder verschleiert werden, kann dies das Vertrauen untergraben, da unklar bleibt, woran man wirklich ist. Das kann Stress verursachen, da man mehr Zeit und Energie darauf verwendet, zwischen den Zeilen zu lesen oder mögliche Konsequenzen zu interpretieren. Dies führt dazu, falsche Annahmen oder Erwartungen zu entwickeln. Hinterher ist die Enttäuschung gross, wenn die Realität nicht mit den unausgesprochenen Erwartungen übereinstimmt.
Ich habe den Stress bzw. die emotionale Belastung der Beteiligten schon benannt. Betroffene tragen oft eine innere Last mit sich, da sich unausgesprochene Gedanken oder Emotionen aufstauen können. Stress führt zu Absenzen, Mitarbeiterwechsel und innerlicher Kündigung.
Obwohl es oft der Versuch ist, Konflikte zu vermeiden, kann das Nicht-Ansprechen von Problemen langfristig tatsächlich zu grösseren Konflikten führen. Unerwähnte Spannungen oder Missverständnisse eskalieren oft mit der Zeit. Aus der Überharmonie wird eine Eskalation. Eigentlich das, was du ja vermeiden wolltest.
«Unklarheiten erzeugen oft Frustration bei Menschen, denn das Ausbleiben offener Kommunikation führt dazu, dass Missverständnisse unter der Oberfläche schwelen.»
Was bewirkt der übermässige Fokus auf das Vermeiden von Konflikten?
Die Überharmonie oder künstliche Harmonie, die im Konzept «Radical Candor» als «ruinöse Empathie» beschrieben wird, ist schädlich, weil sie echte Probleme und notwendige Kritik vermeidet.
Aus künstlicher Harmonie heraus entsteht die Sorge oder Angst, jemanden zu verletzen, was die direkte Ansprache von Problemen unmöglich macht. Menschen geben keine konstruktive Kritik, weil sie sich Sorgen um die Gefühle der anderen machen. Das beruht auf dem Denken, dass du für die Gefühle der anderen verantwortlich bist. Diejenigen, die sich bereits mit der GFK beschäftigen, wissen jedoch, dass emotionale Reaktionen aufgrund erfüllter oder unerfüllter Bedürfnisse entstehen und nicht daraus, weil jemand etwas tut/nicht tut oder sagt/nicht sagt.
Konstruktives Feedback, was ein Teil meines Trainings in den Unternehmen ist, ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil des Lernens und Wachstums. Wenn du aus falscher Rücksichtnahme keine ehrliche Rückmeldung gibst, wird der anderen Person die Chance genommen, aus ihren Fehlern zu lernen und sich zu verbessern. Künstliche Harmonie kann also zur Stagnation führen, sowohl individuell als auch innerhalb eines Teams und irgendwann werden die Dinge vielleicht «hinter dem Rücken» besprochen und die kollektive Leistung leidet. Die Effektivität und der Zusammenhalt werden geschwächt. Mit spassigen Team-Events wird dieser Zusammenhalt nur scheinbar hergestellt. Hilfreicher ist meines Erachtens, am Vertrauen zu arbeiten.
In Organisationen, in denen Überharmonie die Norm ist, entsteht oft eine Kultur der Gleichgültigkeit oder des «schönen Scheins». Veränderungen und Innovationen werden behindert.
Der oberflächliche Friede tut also niemandem richtig wohl, denn die Atmosphäre ist darauf ausgelegt, negative Gefühle um jeden Preis zu vermeiden. Was allerdings, wie schon erwähnt, nicht funktioniert. Denn in Wirklichkeit laugt das Ziel, die Harmonie aufrechtzuerhalten, mit der Zeit emotional aus.
Was steckt dahinter, dass Menschen nicht aussprechen, was sie denken?
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum Menschen Dinge nicht beim Namen nennen und diese liegen oft in tief verwurzelten gesellschaftlichen, kulturellen und persönlichen Erfahrungen. Da dieses Thema vielschichtig ist, versuche ich es für Klarheit und Inspiration hier zu beleuchten.
Möglich ist zum einen die Angst vor Streit oder Ablehnung, also negativen Reaktionen, wenn du benennen würdest, was dir auf dem Herzen liegt. In Unternehmen bedeutet das die Angst, bei den Vorgesetzten oder Kollegen mit deiner Meinung in Ungnade zu fallen und als Worst Case Szenarium den Job zu verlieren. Also werden negative Konsequenzen gemieden, sei es im Beruf, in sozialen Beziehungen oder sogar rechtlich.
Dies ist besonders der Fall, wenn deine Meinung kontrovers ist oder der allgemeinen Stimmung in der Gruppe widerspricht. Dann ist es sicherer, wenn du Dinge nicht aussprichst. Hier bringen dich der Gruppendruck oder der Wunsch, dich anzupassen, dazu, die wahren Gedanken oder vielleicht auch neue Ideen zurückzuhalten. Du schützt dich davor, aus der Reihe zu tanzen oder unangenehm aufzufallen. In einer Gruppe (also mehr als zwei Personen) steigt der soziale Druck. Zudem scheuen sich Menschen davor, offen Dinge auszusprechen, weil sie andere nicht verletzen oder verärgern wollen, weil ihnen das menschliche Anliegen nach Achtsamkeit und Fürsorge wichtig ist. Du könntest auch Sorge haben, dass die andere Person in Schieflage gerät, wenn du etwas ansprichst.
Angst vor Bewertung und fehlendes Vertrauen
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Selbstzweifel. Nicht selten zweifeln Menschen am Wert oder an der Wichtigkeit ihrer eigenen Meinungen. Die Angst, dass ihre Gedanken als uninformiert oder irrelevant bewertet werden könnten, hält sie zurück, Dinge anzusprechen. Ebenso die Befürchtung, dass sie missverstanden werden. Vor allem dann, wenn sie Schwierigkeiten haben, ihre Gedanken in Worte zu fassen, weil ihre Überlegungen vielleicht zu komplex oder diffus sind, um sie «einfach» auszudrücken.
Kennst du das, dass du mehr Zeit dafür benötigen würdest, deine Überlegungen einzubringen? In den Gesprächen fehlt diese Zeit häufig und dann sind die anderen Gesprächspartner bereits beim nächsten (oder gar übernächsten!) Traktandumspunkt angelangt und du, vielleicht von Natur aus eher introvertierter oder zurückhaltender, verwirfst frustriert deine Gedanken, weil der Zug bereits abgefahren ist. Diesen Punkt kenne ich aus eigener Erfahrung sehr gut.
Aus diesem Grund handhabe ich das in den Ausbildungen, die ich leite, anders. Wenn ich den Raum für Wortmeldungen freigebe, lasse ich mehr Zeit als nötig, denn auch wenn es so aussieht, dass niemand mehr etwas sagen möchte, kommt meist doch noch eine wertvolle Rückmeldung. Wenn Menschen den Raum bekommen und mit ihrem Anliegen gehört werden, schafft das Vertrauen und stärkt das Selbstbewusstsein.
Nun sind wir bei einem wichtigen Thema «im Thema» angelangt: Der häufige Mangel an Vertrauen und Sicherheit im sozialen Kontext, im Miteinander. In unsicheren Umgebungen, sei es beruflich oder privat, zögerst du, deine Gedanken auszudrücken. Vielleicht, weil du es schon einmal erlebt hast, dass das, was du benannt hast, belächelt oder abgewertet wurde. Menschen möchten erleben, dass sie zum Wohl der anderen und zum eigenen Wohl beitragen können. Wenn das gelingt, werden Glückshormone ausgeschüttet. So entsteht das Vertrauen in die Gemeinschaft, dass man einen Platz hat und geschätzt sowie respektiert wird.
Von Kind an angepasst und rücksichtsvoll
Die kulturelle Prägung spielt auch mit hinein. Viele wurden so erzogen, dass Gehorsam, Anpassung und Rücksichtnahme hochgeschätzt wurden, oft mehr als individuelle Selbstverwirklichung, Selbstbehauptung und Authentizität. Kinder, die versuchen, ihre eigene Meinung kundzutun, erfahren oft Korrekturen oder werden als anstrengend bewertet. Solche Botschaften führen dazu, dass du schon früh lernst, deine Gedanken eher anzupassen als klar zu formulieren. Dieser Prägung liegt oft der Gedanke zugrunde, dass Harmonie und Anpassung wichtig für ein friedliches Miteinander sind – allerdings auf Kosten der Selbstbehauptung und Authentizität.
Die Angst vor Ablehnung ist da, und zwar auf beiden Seiten: Führungskraft und Mitarbeiter. Unser menschliches Anliegen nach Zugehörigkeit und sozialer Akzeptanz hält uns davon ab, Dinge direkt anzusprechen, denn wir befürchten unbewusst, dass dies zu Konflikten oder Spannungen führen könnte. Die Angst, abgelehnt oder ausgeschlossen zu werden, ist tief verwurzelt. Daraus entsteht die Tendenz, sich anzupassen und lieber Kompromisse zu machen, als Risiken einzugehen.
Grundüberzeugungen, die eine offene Kommunikation verhindern
Aus meiner Erfahrung basiert die Entscheidung, Dinge nicht beim Namen zu nennen, auf persönlichen Grundüberzeugungen oder Annahmen, die du über dich selbst, andere Menschen oder die Welt insgesamt hast. Die Glaubenssätze (oder wie ich sie benenne «Wurzelwölfe») und die Art, wie du gelernt hast, mit Konflikten umzugehen, spielen eine sehr grosse Rolle. Ich möchte an dieser Stelle einige benennen, die mir hierzu gerade einfallen:
- «Wenn ich sage, was ich denke, werde ich abgelehnt.»
- «Meine Meinung ist nicht wichtig.»
- «Ich muss still sein, sonst gibt es Streit.»
- «Wenn ich meinen Mund aufmache, werde ich beschämt und ausgelacht.»
- «Das was ich zu sagen habe, ist unbedeutend.»
- «Wenn ich etwas sage, verletze ich andere.»
- «Wenn ich etwas anspreche, wird es nur noch schlimmer.»
- «Meine Gedanken und Gefühle sind zu intensiv für andere.»
- «Andere sind viel klüger und können sich besser ausdrücken als ich.»
Diese und viele weitere Wurzelwölfe lassen dich oft die Dinge nicht beim Namen nennen und das, was dir auf der Zunge liegt, herunterzuspielen und dich im Vergleich zu anderen zurückzustellen. Wenn Menschen in der Vergangenheit negative Erfahrungen gemacht haben, nachdem sie für sich eingestanden sind – z.B. Kritik, Ablehnung oder emotionale Verletzungen –, führt dies oft zu einer inneren Barriere.
Wer etwa in Beziehungen wiederholt erlebt hat, dass seine Aussagen abgewertet oder ignoriert wurden, lernt häufig, diese eher zu unterdrücken oder zurückzunehmen. Solche Erfahrungen verstärken die Angst, dass das Eintreten für sich selbst nur zu Konflikten oder Schmerzen führt. Deshalb wird dies eher vermieden. Es ist hilfreich zu verstehen, wie tiefgreifend dieses Verhalten das Wohlbefinden und die Beziehung beeinflussen kann und welchen Wert es hat, sich mit seinen Wurzelwölfen zu beschäftigen.
Die eben benannten eventuellen Gründe sind oft miteinander verflochten und können je nach Situation und Person variieren. Die Entscheidung, etwas nicht auszusprechen, ist also oft eine Abwägung zwischen inneren und äusseren Faktoren.
Gewaltfreie Kommunikation hilft dabei, Dinge offen anzusprechen
Ich habe gerade einige tiefgreifende Bewegründe genannt, warum Menschen nicht authentisch kommunizieren und ihre eigenen Ansichten zurückstellen, was das für Auswirkungen hat und dass hier das Wort Empathie falsch übersetzt wird mit «wir sind jetzt alle nett miteinander». Vielleicht hattest du hier und da einen Aha-Moment und dich selbst wiedererkannt.
Um diese Muster zu überwinden und Dinge offen anzusprechen, kann es dir helfen, dich aktiv mit der Gewaltfreien Kommunikation auseinanderzusetzen. Zum einen wirst du dir deiner Glaubenssätze bewusst, hinterfragst sie kritisch und entwickelst neue Verhaltensmuster. In den Trainings leite ich kleine Schritte und Übungen an, um in Alltagssituationen eine klarere Kommunikation zu leben. Es gilt auch zu erleben, dass Ablehnung oder Konflikte nicht das Ende der Welt sind, sondern dass du sie bewältigen und daran wachsen kannst. Dies bedarf ebenfalls eines Erlebens in einem geschützten Rahmen, um es danach in freier Wildbahn anwenden zu können.
Viele Menschen haben in ihrer Kindheit und Jugend wenig Vorbilder gehabt, die authentisch und selbstbewusst für ihre Bedürfnisse eingetreten sind, ohne dafür verurteilt zu werden. Fehlen solche Vorbilder, fällt es dir schwer, selbst den Mut zu finden, für dich einzustehen, weil du einfach nicht weisst, wie das auf gesunde Weise geht. In meinen Ausbildungen leite ich die Teilnehmenden empathisch durch. Dies bewirkt ein stärkeres Selbstwertgefühl, welches hilft, dich selbst und die eigenen Anliegen ernst zu nehmen und das eigene Wohlbefinden als genauso wichtig zu betrachten wie das anderer. Bei allen Punkten setzt die Gewaltfreie Kommunikation an. Deswegen ist für mich die Gewaltfreie Kommunikation eine Persönlichkeitsentwicklung. Und Entwickeln werden wir uns ein Leben lang.
Offenheit und konstruktives Feedback fördern die Zusammenarbeit am besten
Der Vorteil der GFK ist, dass man an seiner Persönlichkeitsentwicklung und gleichzeitig an seiner Konfliktfähigkeit arbeiten kann, um schliesslich den Glauben, dass Konflikte schlecht seien, loszulassen. Die Fähigkeit oder den Mut, die Dinge beim Namen zu nennen, kannst du lernen! Dies fördert deine persönliche Entwicklung. Du lernst mehr über dich selbst, deine eigenen Bedürfnisse und deine eigenen Grenzen, was wiederum deine Selbstreflexion und dein Wachstum vorantreibt. Du kommst einfach weiter.
Überharmonie oder künstliche Harmonie («ruinöse Empathie») untergräbt den Mut und das Vertrauen, die notwendig sind, um schwierige, aber notwendige Gespräche zu führen. Menschen entwickeln nicht die Fähigkeit, konstruktiv mit Feedback umzugehen, weil sie es nicht gewohnt sind, damit konfrontiert zu werden. Dadurch fehlt es an einer Kultur, in der Ehrlichkeit und Vertrauen die Grundlage der Zusammenarbeit bilden. Offenheit und konstruktives Feedback, das auf Respekt und Wohlwollen basiert, ist der beste Weg, um nachhaltiges Wachstum und echte Zusammenarbeit zu fördern.
Genau hier setze ich an – und zeige Wege auf, wie offene Kommunikation gelingen kann.
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