Warum du Dinge persönlich nimmst – und was dagegen hilft
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Ich möchte dich dazu einladen, mit mir zu reflektieren, warum du – wie viele andere Menschen auch – Kritik manchmal persönlich nimmst, und wie dir die GFK dabei hilft, eine völlig neue Perspektive darauf zu bekommen.
Die Neigung, Dinge persönlich zu nehmen, ist kein Zeichen von Schwäche oder Unsicherheit – sie ist eine zutiefst menschliche Reaktion. Schon früh in unserer Entwicklung lernen wir, unser Verhalten ständig im Licht der Bewertung anderer zu betrachten. Denn: Als Kinder sind wir auf Bindung angewiesen – wir lesen Mimik, Tonfall und Stimmung der Erwachsenen und unserer Bezugspersonen, um Sicherheit zu gewinnen. Wird uns Liebe oder Aufmerksamkeit entzogen, erleben wir das als existentielle Bedrohung. Wir lernen: Ich muss gefallen, damit ich dazugehöre.
Kritik aktiviert das „innere Kind“
Dieses Muster prägt die Wahrnehmung bis ins Erwachsenenalter. Sobald jemand Kritik äussert, sich distanziert oder emotional zurückzieht, aktiviert sich dein „inneres Kind“: Es sucht nach dem Fehler bei sich selbst. Das Gehirn greift auf bewährte Schutzstrategien zurück – Selbstvorwürfe, Rechtfertigung, Rückzug oder Abwehr. Deine Aufmerksamkeit verengt sich auf die Frage: Was habe ich falsch gemacht? – oft ohne zu überprüfen, ob die Situation wirklich mit dir zu tun hat. Das Resultat: Du nimmst alles persönlich.
Wenn ein Mensch in bestimmten Situationen dazu neigt, alles persönlich zu nehmen, dann passiert innerlich oft sehr viel – meist mehr, als von aussen sichtbar ist. Tief im Inneren steht meist ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, Sicherheit und Verbundenheit. Wird eines oder mehrere unserer Bedürfnisse – sei es durch einen Blick, eine Bemerkung oder eine Geste – auch nur vermeintlich verletzt, kann das wie ein kleiner Stich wirken. Gefühle wie Kränkung, Scham oder Traurigkeit tauchen auf und nehmen viel Raum ein.
Auch im Miteinander wird das spürbar. Rückzug oder eine plötzliche Verteidigung kann ein Versuch sein, dich vor weiterem Schmerz zu schützen. Gleichzeitig bleibt dein eigentliches Bedürfnis – nach Verständnis, Nähe oder Wertschätzung – oft unausgesprochen. Was du also brauchst, ist nicht Urteil, sondern Einfühlung und die Chance, dich sicher zu fühlen, auch wenn es dich mal betroffen macht.
Hinzu kommt: In unserer Kultur ist es üblich, Aussagen zu bewerten – Menschen sprechen in Urteilen, nicht in Bedürfnissen. Du hörst: „Das war unprofessionell.“ oder „Du bist zu empfindlich.“ – und nicht: „Vielleicht brauchst du mehr Klarheit.“ oder „Vielleicht hat dich die Situation überfordert.“ In dieser Kommunikationsweise fällt es besonders schwer, eine Grenze zwischen dem Verhalten des anderen und unserem Selbstwert zu ziehen.
« Rückzug oder eine plötzliche Verteidigung kann ein Versuch sein, dich vor weiterem Schmerz zu schützen. Gleichzeitig bleibt dein eigentliches Bedürfnis – nach Verständnis, Nähe oder Wertschätzung – oft unausgesprochen. »
Negative Glaubenssätze schwächen das Selbstvertrauen
Wenn du alles auf dich beziehst, gerätst du innerlich unter Druck. Du denkst, dass du bewertet oder kritisiert wirst – oft auch dann, wenn es gar nicht so gemeint ist. Dieses Dauerfeuer aus inneren Interpretationen wie „Ich genüge nicht“, „Ich bin schuld“ oder „Ich werde nicht gesehen“ erschöpft dich emotional – weil es nicht einfach nur Gedanken sind, sondern tiefliegende Glaubenssätze, die sich über Jahre in dein Innerstes eingeprägt haben.
Diese Art des inneren Dialogs schwächt das Selbstvertrauen. Du wirst vorsichtig, vermeidest Konfrontationen, versteckst deine Meinung oder passt dich übermässig an. Gleichzeitig nimmst du dir Kritik sehr zu Herzen und Wertschätzung kommt kaum bei dir an, weil dein inneres System in ständiger Alarmbereitschaft ist. In Beziehungen führt das zu Missverständnissen, Rückzug oder Eskalationen: Du kämpfst nicht gegen das Gesagte – sondern gegen die Bedeutung, die du ihm gibst.
Langfristig verfestigt sich ein verzerrtes Selbstbild: Du hältst dich für zu sensibel, zu konfliktscheu oder zu wenig durchsetzungsfähig – dabei bist du in Wahrheit oft überfordert von einem inneren Kommunikationssystem, das nie gelernt hat, Bedürfnisse ohne Angst auszudrücken. Lebensfreude, Leichtigkeit und Echtheit bleiben dabei auf der Strecke, weil dein innerer Raum von alten Schutzmechanismen blockiert wird.
Glaubenssätze wie “Wenn ich etwas falsch mache, werde ich weniger geliebt”, oder “Ich muss alles richtig machen, um dazugehören zu dürfen.” sind wie ein unsichtbarer Hintergrundton, der alles einfärbt – und gerade in zwischenmenschlichen Situationen besonders laut wird. Dann kämpfst du nicht gegen das, was gesagt wurde, sondern gegen die schmerzhafte Bedeutung, die du ihm gibst. Das „Du hast heute aber wenig gesagt“ wird zu „Ich bin langweilig“, ein neutrales Stirnrunzeln zur gefühlten Ablehnung. So entsteht ein innerer Schmerz, der sich nicht selten wie eine alte Wunde anfühlt – zart, verletzlich, ungeschützt.
Dieser ständige innere Alarmzustand raubt dir Kraft. Er macht es schwer, wirklich bei dir selbst zu bleiben. Dein Selbstvertrauen leidet, weil du deine Gefühle ständig infrage stellst. Du wirst vorsichtig, vermeidest Konfrontationen, versteckst deine Meinung oder passt dich übermässig an – nicht, weil du konfliktscheu bist, sondern weil du dich danach sehnst, dazuzugehören und in liebevoller Verbindung zu sein. Die Angst, wieder verletzt oder ausgeschlossen zu werden, sitzt tief. Dadurch leidet die Verbindung zu anderen – aber vor allem leidet die Verbindung zu dir selbst.
Hinter deiner Empfindsamkeit steckt das Bedürfnis nach echter Verbundenheit
Doch hinter dieser Empfindsamkeit liegt etwas, finde ich, ganz Kostbares: das Bedürfnis nach echter Verbundenheit, nach Klarheit, nach einem sicheren Platz im Miteinander. Wenn du lernst, diese Muster zu erkennen und mitfühlend mit dir selbst zu sein, kann sich ein neuer innerer Raum öffnen – einer, in dem du nicht mehr alles persönlich zu nehmen brauchst, sondern dich selbst wieder persönlich nehmen darfst.
Hier kommt die Gewaltfreie Kommunikation ins Spiel, denn sie bietet einen radikalen Perspektivwechsel: Sie lädt dich ein, zu unterscheiden zwischen dem, was tatsächlich geschieht, und dem, was du daraus machst – also was du darüber denkst, bewertest, hineininterpretierst. Ganz einfach – und zugleich tiefgreifend. Statt eine Äusserung sofort zu bewerten, lernst du, sie bewusst zu reflektieren:
- 1. Beobachtung: Was wurde konkret gesagt oder getan – ohne Bewertung?
Beispiel: „Mein Kollege sagte: ‚Das Konzept ist noch nicht durchdacht.‘“ – nicht: „Ich bin unfähig.“ - 2. Gefühl: Was fühle ich in dieser Situation?
„Ich fühle mich verunsichert, angespannt, vielleicht irritiert.“ - 3. Bedürfnis: Welches menschliche Anliegen liegt hinter diesem Gefühl?
„Ich wünsche mir Anerkennung für meine Arbeit und Klarheit, was mit „noch nicht durchdacht“ gemeint ist.“ - 4. Bitte: Was könnte ich mir jetzt wünschen oder tun, um mein Bedürfnis zu erfüllen?
„Ich bitte meinen Kollegen mir zu schildern, was er konkret mit ‘noch nicht durchdacht’ meint.“
Dieser Prozess hilft dir, dich innerlich zu entwirren. Statt automatisch zu reagieren, hältst du inne und begegnest dir selbst mit Selbstempathie. Das stärkt deine Selbstverbindung – und gibt dir Handlungsspielraum. Du übernimmst Verantwortung für deine Gefühle, ohne Schuld zu suchen – weder bei dir noch beim anderen.
Alte Glaubenssätze lassen sich mit GFK aufdecken
Doch damit hört die Entwicklung nicht auf – denn hier beginnt die eigentliche tiefere Arbeit: Mit Hilfe der GFK kannst du nach und nach auch die alten Glaubenssätze erkennen, die deine Reaktionen steuern. Wenn du in bestimmten Momenten stark getriggert bist, liegt dahinter oft nicht nur das aktuelle Bedürfnis (Klarheit), sondern ein tiefer Schmerz aus früheren Erfahrungen („Ich bin unfähig.“). Ich lade dringend dazu ein, keinen Bogen um diese inneren Stimmen zu machen, sondern sie liebevoll wahrzunehmen – also konkret sie nicht zu unterdrücken oder zu bekämpfen, sondern zu verstehen.
Zurück zum Beispiel: Wenn du hörst „Das ist noch nicht durchdacht“ – und dein inneres Echo ist „Ich bin unfähig.“, dann zeigt sich ein alter Glaubenssatz, der gehört werden will. Mithilfe der GFK kannst du in Kontakt kommen mit dem Teil in dir, der das glaubt – und ihm mit Empathie begegnen – liebevoll, bewusst, urteilsfrei. Dies öffnet einen Weg, alte Überzeugungen zu hinterfragen und zu bearbeiten. Und zwar nicht durch Druck, sondern durch Verbindung. In diesem Prozess verändert sich dein inneres Klima: Statt innerer Härte entsteht innere Klarheit und Stabilität. Du wirst nicht schwächer, sondern klarer und vor allem freier. Warum? Weil du nicht mehr gegen dich selbst kämpfen musst.
Mit der Zeit verändert sich dein Erleben tiefgreifend: Du hörst Menschen anders zu, fühlst dich weniger getriggert, weil du ihre Worte nicht mehr als Angriff, sondern als Ausdruck ihrer eigenen Bedürfnisse verstehst. So entstehen echte Begegnungen – jenseits von Schuld, Abwehr oder Anpassung. Du brauchst nichts mehr persönlich zu nehmen, sondern darfst lernen, deine Gefühle als Wegweiser zu nutzen, nicht als Beweis deiner Schwäche. Gewaltfreie Kommunikation zeigt dir, dass das Persönlichnehmen kein Fehler ist – sondern ein Hinweis auf eine Verbindung, die du suchst. Und sie zeigt dir auch, wie du diese Verbindung stärken kannst – mit anderen, aber vor allem mit dir selbst. Und genau darin liegt die Heilung.
Für WISSEN: Möchtest du lernen, wie du deine Glaubenssätze aufdecken und dich von ihnen befreien kannst? Dann empfehle ich dir das Seminar „Glaubenssätzen empathisch begegnen“.